Pflichtvergessen

In Berlin stolperten Querdenker durch die Stadt und schwadronieren vom Sturz des Systems. Umsturz ist aber keine demokratische Kategorie. Wer eine Demokratie stürzen will möchte eine Diktatur errichten. Jörg Radek, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, stellte laut Süddeutscher Zeitung fest, den Corona-Demonstranten gehe es nicht mehr um politische Belange, sondern darum, die bestehende demokratisch-rechtsstaatliche Ordnung abzuschaffen. 

Nichts, absolut nichts von dem, was Querdenker seit über einem Jahr zur Pandemie verkünden, ist eingetreten. Der Tagesspiegel hat das in dem lesenswerten Artikel „So oft irren sich die Verschwörungsideologen“ aufgelistet. Allen voran die Pseudoexperten Wodarg und Bhakdi: Sie haben von Beginn der Pandemie an nur dummes Zeug erzählt und machen schamlos weiter. Sie gehören in die Kategorie jenes berüchtigten Lungenprofessors Köhler, der mit falschen Berechnungen beweisen wollte, dass Feinstaub unschädlich sei. Nein, nicht im 19. Jahrhundert, sondern 2018.

Die Pandemie wird ab September von den Nicht-Geimpften angetrieben. Diejenigen, die sich vorsätzlich nicht impfen lassen, gehen fahrlässig mit ihrer Gesundheit um. Das Argument greift nicht, dass die Entscheidung frei ist, ob ich einen medizinischen Eingriff zulasse oder nicht. Bei einer Krebserkrankung ist das richtig, da entscheide ich nur für mich alleine. Bei einer Infektionskrankheit dagegen, bei der jeder Infizierte andere in ihrer körperlichen Unversehrtheit mit Ansteckung bedroht, hört die freie Wahl auf. Der sozial denkende Mensch nimmt Rücksicht auf seine Mitmenschen. Querdenker tun das Gegenteil. 

Geimpfte tragen aus Rücksicht auf die, die weder Masken tragen noch sich impfen lassen wollen, weil das, wie sie behaupten, ihre Freiheit einschränkt, weiterhin Maske. Dagegen sind Querdenker typische Vertreterinnen und Vertreter eines pflichtvergessenen neoliberalen Hyperindividualismus: Ich will meine Freiheit, alle anderen gehen mir am Arsch vorbei.

Querdenker folgen der Logik der AfD: Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für uns und den geplanten Umsturz – und die AfD nutzt das Potenzial der Querdenker für antidemokratische Desinformationskampagnen, wie eine BR-Datenanalyse zeigt. Sie werden auch die Klimakrise zu einer Krise der Demokratie umdefinieren, als wäre die Demokratie schuld am Klimawandel und nicht unsere Art zu wirtschaften und zu konsumieren. Sie werden auch beim Klimathema unser Grundgesetz falsch interpretieren und auf ihre vermeintlichen Freiheitsrechten pochen: SUV fahren, Diesel tanken, fliegen, Kreuzfahrten buchen so viel sie wollen und, ganz wichtig: Getränke mit Plastikröhrchen schlürfen.

Am 29. Juli war Earth Overshoot Day, Erdüberlastungstag. Vom 1. Januar bis zum 29. Juli hat die Menschheit so viel von den Ressourcen der Natur verbraucht, wie in der klimaneutralen CO2-Bilanz für ein ganzes Jahr zur Verfügung stehen. Wir leben weiter über unsere Verhältnisse. Darum geht es jetzt. Kümmern wir uns um unsere Zukunft und ignorieren wir die Ignoranten. Schaffen wir als erstes die rund 46 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen ab, die laut Greenpeace im Bundeshaushalt stecken. Mit dem Geld lässt sich was anfangen. Am 26. September können wir uns dafür entscheiden.

Katapult Magazin Demonstrationen in Berlin
Quelle: Das sozialwissenschaftliche Magazin KATAPULT www.katapult-magazin.de

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