SPD-ID gesucht

Identitätspolitik nervt. Die von Rechts. Die Nachfolger der NSDAP möchten eine Gesellschaft von weißen Heterosexuellen christlichen Glaubens rekonstruieren. Wer das fordert, verstößt gegen unser Grundgesetz und gegen die Menschenrechte. So weit, so einfach.

Nun haben sich linke Kritiker einer linken Identitätspolitik formiert. Was ist linke Identitätspolitik? Darauf hinzuweisen, dass Grundgesetz Artikel 3.3 nicht verwirklicht ist: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Man sollte meinen, es sei eine Selbstverständlichkeit, dieses Grundrecht einzufordern und wenn es nicht umgesetzt wird, darauf hinzuweisen, damit es umgesetzt wird. Das tut die Black Lives Matter-Bewegung, das tun die Angehörigen der Hanauer Mordopfer, das tut hoffentlich jede und jeder. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber es ist offensichtlich keine Selbstverständlichkeit.

Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse warf vor Tagen den ersten Stein mit einem Artikel in der FAZ. Ihm ist das alles zu viel. Ihm sind die kleinen und kleinsten Gruppen zu viel, die ihr Recht einfordern. Das würde die Gesellschaft spalten, ja mehr noch: Thierse vergleicht das Einfordern einer eigenen Identität mit Ideologien und Konfessionen, die, Zitat, „in der Vergangenheit immer wieder zu heftigen, gar blutigen Konflikten geführt haben. Sollte sich Geschichte unter anderem Leitbegriff etwa wiederholen?“ Das ist starkes Geschütz, um in der Kriegsterminologie zu bleiben.

Solange Herr Thierse nicht versteht, dass es der linken Identitätspolitik nicht um „blutige Konflikte“ geht, sondern um demokratische Auseinandersetzung und das Einfordern selbstverständlicher Grundrechte, solange er nicht versteht, dass Identitätspolitik nichts mit „Konfession“ und „Ideologie“ zu tun hat, sondern mit Menschenrechten, so lange muss er es aushalten, wenn ihm sein Diskussionsbeitrag um die Ohren fliegt. 

Nicht diejenigen zerstören den Gemeinsinn, die ethnische, geschlechtliche und sexuelle Diskriminierung auf die Tagesordnung setzen und anprangern, sondern jene, die nicht verstehen, dass hier eine junge selbstbewusste Generation politisch aktiv ist, die sich die althergebrachte Ignoranz weißer Leitkulturidentitärer nicht mehr bieten lässt. 

Wenn Wolfgang Thierse mit patriarchalischer Anmut seine Randgruppenkinder bittet, doch nicht so laut zu sein, dann ist das die typische Haltung eines Mannes, der noch nicht begriffen hat, dass die Zeit im historischen Sinn gerade dabei ist, über seine antiquierten Positionen hinwegzugehen.

Wenn die weiße Mehrheit nicht in der Lage ist, die Fragen, Forderungen und den Protest der Minderheiten zu respektieren und ernst zu nehmen, dann muss die Rechte nur Däumchen drehen und zusehen, wie die Demokratie auseinander und ihnen in die Hände fällt. Denn das Credo unserer Demokratie zum ID-Thema steht im Grundgesetz Artikel 3.3 und kann nicht in Frage gestellt werden – außer von den Faschisten, die das GG insgesamt in Frage stellen. Solange das GG aber nicht für alle Menschen gilt, hat die weiße Mehrheit die Klappe zu halten und daran zu arbeiten, dass es endlich für alle Menschen gilt.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sobald auch nur ein Mensch sagt, meine Würde wurde angetastet, ist das ernst zu nehmen.

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