Sintflut

Klima lässt sich nicht ohne Wirtschaft denken, denn unsere Art zu wirtschaften ist verantwortlich für die Klimakrise. Der entscheidende Faktor ist, dass wir die realen Kosten nicht vollständig einpreisen. Die Schäden, die bei der Gewinnung von Rohstoffen an Natur und an der Gesundheit der Menschen entstehen, werden nicht in die Produktpreise einkalkuliert, sondern externalisiert. Einem globalen Rohstoffkonzern ist es egal, in welchem degenerativen Zustand er Landschaft und Menschen hinterlässt, wenn die Ressourcen ausgebeutet sind, dafür ist am Ende der Staat zuständig und die Kosten übernehmen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Diese „Nach mir die Sintflut“-Einstellung mag damit zu tun haben, dass die Volkswirtschaftslehre immer noch als eine Wissenschaft verstanden wird, in der es drum geht, mit dem möglichst kostengünstigen Einsatz von Arbeitskraft und Rohstoffen wertvolle Wirtschaftsgüter mit maximalem Profit zu produzieren. Es geht um die Optimierung der Kosten-Nutzen-Relation bei einem vollständigen Vakuum an sozialen und ökologischen Werten und Zielen. 

Die Leitfrage lautet: Wie lässt sich Erfolg bewerten? Die Antwort lautet bisher: BIP. Der putzige Vogellaut steht für Bruttoinlandsprodukt, mit dem das quantitative Wachstum abgebildet wird. Die Frage nach der Qualität des Wirtschaftens in Bezug auf soziale Gerechtigkeit, Vermögensverteilung, Ressourcenschonung, Klimagerechtigkeit bleibt außen vor. 

Wer heute noch Wachstum als Allheilmittel für soziale und politische, für ökonomische und ökologische Probleme anbietet ist ein neoliberaler Scharlatan. Denn das rein quantitative Wachstum ohne qualitative Kriterien ist für den degenerativen Zustand verantwortlich, in dem wir uns gerade befinden. Warum aber sollte man mit einer „Medizin“, die die Krankheit verursacht hat, die Krankheit heilen können? Die eigene Gesundheit würde man dieser Denkweise nicht anvertrauen, unsere Wirtschaft soll aber genau nach diesem Muster weiterlaufen, wir können das in diversen Wahlprogrammen 2021 nachlesen.

Die US-amerikanischen Umweltwissenschaftlerin Donella Meadows, eine der Autorinnen der 1972 erschienen Studie „Die Grenzen des Wachstums“, sagte: „Wachstum ist eines der dümmsten Ziele, die jemals von einer Kultur formuliert wurden.“ Bei Wachstum seien immer die Leitfragen zu stellen: wovon, wofür und auf wessen Kosten. Angesichts der Klimakrise ist das qualitative Wachstum entscheidend und wir werden nicht darum herumkommen, unseren Konsum radikal klimaneutral zu verändern. Das größte Problem fürs Klima ist das menschengemachte Ich-will-nicht-Wissen. Damit muss jetzt Schluss sein.

Es gibt kein Beispiel, dass Wachstum alleine irgendwo auf der Welt soziale oder ökologische Probleme gelöst hätte. Im Gegenteil: Das Wachstum der neoliberalen Schule hat diese Probleme geschaffen und verschärft. Nur der demokratische politische Prozess kann steuernd in Richtung regeneratives, am Gemeinwohl orientiertes Wirtschaften eingreifen. Es wird Zeit, dass er diese Aufgabe wieder übernimmt – zugunsten einer intakten Biosphäre.

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